Brandenburger Ausbildungsbilanz 2019/2020
Steinbach: Duale Ausbildung ist nach wie vor der Königsweg der Fachkräftesicherung
Potsdam, 3. November 2020. Die Rahmenbedingungen für das Ausbildungs- und Berufsberatungsjahr 2019/20 waren in Brandenburg pandemie-bedingt sehr schwierig. Im Frühjahr war das Ausbildungsgeschehen von den gesellschaftlichen Einschränkungen und wirtschaftlichen Risiken in Folge der Corona-Pandemie geprägt. Ausbildungsmessen konnten nicht stattfinden, persönliche Beratungsgespräche wurden durch Telefonie und Mailkontakte ersetzt. Digitale Angebote wie Berufswahl-Apps (Check-U) und Lehrstellenbörsen gewinnen zunehmend an Bedeutung.
Viele Brandenburger Unternehmen haben sich in dieser schwierigen Situation weiter engagiert und ihr Ausbildungsplatzangebot aufrechterhalten. Die Zahl der seit Beginn des Berichtsjahres gemeldeten Stellen ging in Brandenburg nur leicht um 377 auf 13.755 zurück. Brandenburg ist in besonderem Maße vom demografischen Wandel geprägt, viele ältere Beschäftigte werden in den nächsten Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Umso wichtiger ist die Entscheidung zahlreicher Unternehmen in Industrie, Handwerk sowie im öffentlichen Dienst, sich mit guter Ausbildung und attraktiven Lehrstellen die Fachkräfte von morgen zu sichern. Ende September waren in Brandenburg noch 2.096 betriebliche Lehrstellen unbesetzt, das waren 307 mehr als im September 2019.
Von Oktober 2019 bis Ende September 2020 meldeten sich in Brandenburg insgesamt 13.589 Jugendliche bei der Berufsberatung der Agenturen für Arbeit auf der Suche nach einen Ausbildungsplatz. Das waren 608 junge Menschen weniger als im letzten Jahr. Ende September waren 1.515 Bewerber unversorgt, 300 mehr als vor einem Jahr.
Jörg Steinbach, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Energie in Brandenburg: „Mein Dank gilt den vielen Brandenburger Unternehmen, die auch in dieser sehr schwierigen Zeit eine gute Ausbildung anbieten und damit jungen Menschen eine berufliche Perspektive eröffnen. In allen Regionen des Landes gibt es ein breites Angebot an betrieblichen Ausbildungsstellen. Das Niveau der Vorjahre ist nahezu gehalten worden. Dennoch steht der Ausbildungsmarkt unter Druck.“ Einbrüche seien bei den von der Coronakrise besonders stark betroffenen Branchen wie dem Hotel- und Gaststättengewerbe, der Tourismusbranche und dem Veranstaltungsmanagement zu verzeichnen. „Sorge bereitet uns auch der deutliche Rückgang der Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber um eine betriebliche Lehrstelle“, erklärte der Minister.
Steinbach weiter: „Fachkräfte sind das Fundament unserer wirtschaftlichen Zukunft. Und der Königsweg der Fachkräftesicherung ist nach wie vor die duale Ausbildung. Sie bleibt das zentrale Instrument, um sich zukunftsfähig aufzustellen.“ An Jugendliche, die noch keinen Ausbildungsvertrag abgeschlossen haben, appellierte der Minister: „Suchen Sie weiter nach einem geeigneten Ausbildungsplatz und bewerben Sie sich! Ein verspäteter Ausbildungsstart ist möglich. Es gibt keine Frist, bis zu der eine Ausbildung spätestens begonnen werden muss.“
Bernd Becking, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit: „Die Situation am Brandenburger Ausbildungsmarkt ist trotz der Auswirkungen der Corona-Pandemie stabil. Die Brandenburger Unternehmen zeigen auch in schwierigen Zeiten ein hohes Engagement in Sachen Ausbildung. Der Fokus der nächsten Tage und Wochen liegt auf den noch unbesetzten Lehrstellen: Es gibt noch immer zahlreiche Chancen, gut ins Berufsleben zu starten. Die Arbeitsagenturen und Jobcenter werden weiter intensiv beraten und vermitteln. Ich möchte die jungen Menschen ermutigen, jetzt nicht nachzulassen, sondern dran zu bleiben: Das heißt, sich jetzt weiter zu bewerben und offen zu sein für eine Ausbildung nahe des eigenen Traumberufes sowie – wenn möglich - für Lehrstellen in anderen Regionen. In Potsdam-Mittelmark beispielsweise kommen im Schnitt auf 100 Ausbildungsplätze nur 70 Bewerber, während es im Kreis Oberhavel 153 sind. Auch für Brandenburger Arbeitgeber wird es zunehmend schwieriger werden, Nachwuchskräfte zu finden - vor allem wenn junge Leute auf ein Studium fixiert sind oder wenn Vorstellungen der Jugendlichen und Anforderungen der Lehrstellen nicht zueinander passen. Hier appelliere ich an die Betriebe, sich nicht entmutigen zu lassen: Werben Sie mit Praktika für sich, geben Sie auch nicht ganz so guten Bewerbern eine Chance. Denn eines ist sicher: Der Wettbewerb um die Nachwuchskräfte wird zunehmen. Dem müssen sich die Unternehmen stellen. Die Arbeitsagenturen unterstützen hier gerne mit Einstiegsqualifizierung oder ausbildungsbegleitenden Hilfen. Gleichzeitig unterstützt das Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ kleine und mittelständische Unternehmen, die ihr Ausbildungsengagement trotz der Krise aufrechterhalten oder sogar ausbauen.“
Alexander Schirp, Geschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB): „Mit einem echten Endspurt haben die Unternehmen in Brandenburg doch noch eine Reihe von Lehrstellen besetzen können. Kampagnen und Nachvermittlungsaktionen in den vergangenen Wochen haben den großen Nachwuchsmangel verhindert, der angesichts der Corona-Einschränkungen zu befürchten war. 2.100 unbesetzte betriebliche Plätze sind dennoch viel zu viele und ein trauriger Rekord. Die Ausbildungsbereitschaft der meisten Unternehmen ist trotz der Wirtschaftskrise ungebrochen hoch. In den vergangenen zehn Jahren ist das Stellenangebot um fast 30 Prozent gewachsen. Für das nächste Jahr müssen Berufsorientierung, Beratung und Vermittlung krisenfest gemacht werden. Entscheidend ist der persönliche Kontakt zu den jungen Menschen. Hier müssen die Berater in den Jobcentern, Arbeitsagenturen und Jugendberufsagenturen Konzepte entwickeln, die auch bei einer anhaltenden Pandemie-Gefahr funktionieren.“
Christian Hoßbach, Vorsitzender des DGB Berlin-Brandenburg: „Die Zahl der Ausbildungsplätze ist 2019/20 leicht zurückgegangen, dabei wäre ein Aufschwung nötig: Die duale Ausbildung ist für Brandenburg ein Zukunftsthema, denn Jugendliche, die keine passende Lehrstelle finden, drohen der dualen Ausbildung verloren zu gehen und abzuwandern. Die langen Wege im Land und die unterschiedliche Lage am Ausbildungsmarkt der einzelnen Landkreise bleiben eine Herausforderung. Hier muss das Land am Ball bleiben, die Mobilität junger Leute fördern und den Ausbau von Wohnheimplätzen voranbringen. Ein großer Corona-Einbruch zum neuen Ausbildungsjahr ist in Brandenburg nicht zu sehen, dennoch: Die Jugendarbeitslosigkeit ist seit dem Vorjahr um ein Viertel gestiegen. Das ist ein Warnsignal, dass die Anstrengungen für die Berufsausbildung groß bleiben müssen.“