„Brandenburg kann Vorreiterregion für Wasserstoffwirtschaft werden“
Wirtschafts- und Energieminister Steinbach stellt Potenzialstudie vor – Brandenburg bringt Bundesratsinitiative zu Erneuerbare-Energien-Richtlinie ein
Potsdam, 7. August 2019. „Brandenburg ist nicht nur Spitzenreiter beim Ausbau erneuerbarer Energien. Wir können auch Vorreiterregion werden für eine Wasserstoffwirtschaft – und damit die Energiewende in Deutschland entscheidend voranbringen.“ Das erklärte Wirtschafts- und Energieminister Jörg Steinbach heute bei der Vorstellung einer Potenzialstudie, die der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband im Auftrag des brandenburgischen Wirtschafts- und Energieministeriums erstellt hat. Die Kernaussage der Studie: Wasserstoff bietet große Chancen für Brandenburg. Das Land ist ein attraktiver Standort für eine Elektrolyseindustrie. „Allein durch die Ansiedlung relevanter Hersteller, die zehn Prozent des deutschen Marktes für Elektrolyseanlagen bedienen würden, könnten der Studie zufolge bis zu 7.000 hochwertige Industriearbeitsplätze in Brandenburg entstehen“, hob Steinbach hervor. „Die konsequente Verfolgung einer Wasserstoffstrategie könnte dem gesamten Land einen „Vorsprung Ost“ verschaffen.“
Power-to-X-Technologien, die aus erneuerbaren Energien „grünen“ Wasserstoff erzeugen, können „der Schlüssel für den Erfolg der Energiewende“ sein, sagte der Minister. „Denn grüner Wasserstoff ermöglicht die Kopplung der Sektoren Strom, Wärme, Verkehr und Industrie. Und die Sektorenkopplung ist unerlässlich für den Erfolg der Energiewende und mehr Klimaschutz.“ Zugleich sei der Markthochlauf innovativer Technologien mit großen industriepolitischen Chancen für Brandenburg verbunden. „Das bedeutet zusätzliche regionale Wertschöpfung und Beschäftigung – also genau das, was wir für eine erfolgreiche Strukturentwicklung in der Lausitz dringend brauchen“, so der Minister.
Brandenburg habe sich sehr frühzeitig den Themen Sektorenkopplung und Power-to-X zugewandt, betonte Steinbach und verwies beispielhaft auf das weltweit erste Hybridkraftwerk, das bereits 2011 in Prenzlau in Betrieb gegangen ist sowie auf die 2013 errichtete Power-to-Gas-Pilotanlage in Falkenhagen, die 2018 um eine Methanisierungsstufe ergänzt wurde und seit kurzem „grünes“ Erdgas ins Gasnetz einspeist.
Für fast alle denkbaren Nutzungen von grünem Wasserstoff seien in Brandenburg Anwendungsmöglichkeiten vorhanden, erklärte der Minister. Dabei verwies er auf die Stahl- und die Chemieindustrie sowie die Raffinerie in Schwedt, wo grüner Wasserstoff für die Produktion von synthetischen Kraftstoffen, so genannte e-Fuels, eingesetzt werden könnte. „Die energieintensive Industrie in Brandenburg kann an der Spitze der Wasserstoff-Bewegung zukunftsfähig gemacht werden“, sagte Minister Steinbach. Weitere Anwendungsmöglichkeiten bestünden im Schwerlastverkehr, in der Binnen- und Fahrgastschifffahrt sowie im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). „In Ballungsgebieten wie in und um Potsdam, Cottbus, Brandenburg an der Havel oder Frankfurt (Oder) könnte mittels grünem Wasserstoff ein CO2-freier ÖPNV angeboten werden“, sagte Steinbach. Zudem denke er an einen schrittweisen Umbau der Kraftwerksstandorte Jänschwalde und Schwarze Pumpe zu energiewendetauglichen Speicherkraftwerken. Das sei nicht nur eine volkswirtschaftlich sinnvolle Nachnutzung vorhandener Infrastruktur, sondern zugleich eine wichtige Perspektive für die Energieregion Lausitz.
Die Studie analysiert aber nicht nur die industriepolitischen Potenziale, sie definiert auch drei Handlungsfelder, um diese zu erschließen. „Damit liegen nunmehr strategische Eckpunkte für eine Wasserstoffstrategie vor, auf die die nächste Landesregierung aufsetzen kann um eine detaillierte Landes-Wasserstoffstrategie zu erarbeiten und umzusetzen“, sagte Steinbach.
Die drei Handlungsfelder:
1. „Voraussetzungen und Anreize für eine regionale Herstellung und Nutzung von erneuerbarem Wasserstoff schaffen.“
Hier empfiehlt die Potenzialanalyse unter anderem die Etablierung von Forschungseinrichtungen für Energieinfrastruktur und für CO2-arme Industrieprozesse. „Mit der erfolgreichen Ansiedlung eines DLR-Institutes für dekarbonisierte Industrieprozesse und der Kompetenzstelle des Bundesumweltministeriums für stromintensive Industrien an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg befinden wir uns schon exakt auf dem vorgeschlagenen Pfad“, erklärte Steinbach. „In die gleiche Richtung gehen unsere aktuellen Bemühungen, Brandenburg zum Standort für ein Power-to-X-Kompetenzzentrum samt Demonstrationsanlage zu machen.“
Zudem wird in der Studie die Förderung von wasserstoffbezogenen Projekten, die in der Maßnahmenliste der Kohlekommission enthalten sind vorgeschlagen. Steinbach erklärte dazu, dass in der Energieabteilung des Ministeriums seit dem 15. Juli ein eigenes Referat für die Themen Sektorenkopplung und Power-to-X gebildet worden ist, in dem alle Wasserstoffthemen gebündelt und in dem aktuell vor allem die Brandenburger Bewerbungen um ein „Reallabor der Energiewende“ gezielt unterstützt werden sollen – also genau das, was die Studie rät.
2. „Voraussetzungen und Anreize für die Ansiedlung einer Wasserstoffindustrie schaffen.“
Darunter stellt die Studie der Landesregierung die nicht einfache Aufgabe, Fördermöglichkeiten für Unternehmen aus der Wasserstoffindustrie zu entwickeln. „Hier ist es aus meiner Sicht sinnvoll, wenn Brandenburg mit den finanziellen Mitteln für den Strukturwandel in der Lausitz genau in diese Richtung gehen würde“, sagte Steinbach. Dazu sei aber nicht zuletzt eine enge Zusammenarbeit mit den anderen Kohleländern und der Bundesregierung nötig. „Ich hoffe und erwarte, dass sich die nächste Landesregierung dieser Aufgabe kraftvoll annimmt“, erklärte der Minister.
Brandenburg sei auch im zweiten Handlungsfeld schon aktiv: Gefordert wird unter anderem die Förderung von Demonstrationsanlagen für Wasserstoff als Speicher. „Wir sind schon seit geraumer Zeit dabei, eine Förderrichtlinie für genau diesen Zweck zu erstellen. Ich selber habe dazu Gespräche in Brüssel mit der EU-Kommission geführt. Hier gilt es beihilferechtliche Steine aus dem Weg zu räumen. Ich bin aber zuversichtlich, dass uns das gelingt“, sagte Steinbach.
3. „Forderungen an die Bundesregierung zum künftigen politischen und rechtlichen Rahmen für den Einsatz von Wasserstofftechnologien formulieren.“
Auch auf diesem Feld ist das Brandenburger Wirtschafts- und Energieministerium bereits aktiv geworden: So hat die Landesregierung am 30. Juli beschlossen, eine Bundesratsinitiative einzubringen, die darauf abzielt, den Aufbau einer erneuerbaren Wasserstoffwirtschaft voranzutreiben. Von der Bundesregierung wird darin eine Umsetzung der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Renewable Energy Directive, RED II) in nationales Recht gefordert. Durch eine solche regulatorische Weichenstellung könne das Thema Wasserstoff gut vorangebracht werden, sagte Steinbach.
„Alle potenziellen Anwendungen für grünen Wasserstoff leiden aktuell darunter, dass er wirtschaftlich nicht mit dem auf fossiler Basis hergestelltem Wasserstoff konkurrieren kann und deshalb nicht nachgefragt wird. Der Grund dafür ist einfach: Der ,Rohstoff‘ für grünen Wasserstoff ist Strom. Und der ist in Deutschland bekanntermaßen besonders teuer, weil im Strompreis in erheblichem Umfang Steuern und Abgaben wie die EEG-Umlage enthalten sind“, erläuterte Steinbach. Zwar wolle die Bundesregierung das Steuer-und Abgabensystem im Bereich Energie reformieren, unter anderem mit dem Ziel, die Wettbewerbssituation für Power-to-X-Produkte wie Wasserstoff zu verbessern. „Das begrüße ich ausdrücklich“, sagte Steinbach, „rechne aber nicht mit schnellen Ergebnissen“. Deswegen sei es umso wichtiger, eine Nachfrage nach grünem Wasserstoff anderweitig sicherzustellen. „Diese entsteht, wenn die ,grüne‘ Eigenschaft von Wasserstoff einen Wert bekommt. Und genau dafür kann die Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II sorgen: Sie verpflichtet nämlich unter anderem die Kraftstoffproduzenten, die CO2-Emissionen ihrer Kraftstoffe zu senken und ermöglicht den Raffinerien, die Verwendung von grünem Wasserstoff auf diese Verpflichtung anzurechnen“, sagte der Minister. Damit werde der Einsatz von grünem Wasserstoff beispielsweise auch für die Brandenburger Raffinerie in Schwedt interessant.
Die Potenzialstudie als Download